Absprung

12.01.2017 06:30
avatar  Theodor
#1
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Oft werde ich gefragt wie ich den Absprung geschafft habe von der Flasche loszukommen. Sicher ist es auch interessant wie andere den entscheidenden Schritt aus der Sucht getan haben.
Dabei sind wir auf eure Hilfe angewiesen, schreibt uns kurz euer Geschichte. Es muss kein Roman sein, sondern solche Fragen wie: Wie war die Situation vor dem Aufhören? Was hat mich bewegt Aufzuhören? was habe ich unternommen und wie ging es weiter? Wie geht es mir Heute damit?

Oft werde ich gefragt seit wann ich Alkoholiker bin und wie ich den Absprung geschafft habe, meine Antwort darauf ist immer „Seit meinem ersten Besäufnis!“ …ich meine dann oft ein Verständnisloses gegenüber zu sehen, aber ich kann es nicht anders beschreiben. Seit 1996 wurde ich auffällig und seit 2000 kämpfte ich gegen meine Sucht. Meist war es zwar mehr ein Spiegelgefächt, darum aber nicht weniger erbittert! Es brauchte Fünf Therapien und unzählige Entgiftungen bis ich Weihnachten 2012 endgültig den Absprung Schafte und seitdem Nüchtern bin.
Was genau der Auslöser war ist schwer zu beschreiben, vielleicht dass ich die zwei drei Menschen die immer noch an mich glaubten nicht mehr enteuchen wollte, vielleicht das ich mir die Gruppe, die ich endlich und nach langer Suche gefunden hatte, nicht mehr nehmen wollte in dem ich immer wieder angetrunken erschien. Vielleicht dass es einfach der richtige Zeitpunkt war, dass ich die vielen Werkzeuge die ich gelernt hatte, endlich verinnerlichen konnte.
Ganz wichtig war die Gruppe in der ich mich endlich öffnen konnte und kein Blatt vor den Mund nehmen musste. Heute noch ist es mein wichtigster Termin in jeder Woche und nichts kann mich davon abhalten! Ich habe oft erlebt das andere Leidensgenossen die Gruppe schleifen ließen und der Rückfall danach nicht lange auf sich warten ließ, dazu wollte ich nicht mehr zählen!
Heute, nachdem ich mit den Jahren immer nüchterner werde, ist es immer noch ein wunder für mich. Ich muss mich nirgends Wegwünschen und nirgends Verstecken und ich denke das ist es was man eine zufriedene Abstinenz nennen kann. Jedenfalls für mich, und ich kann jedem nur sagen: es lohnt sich!

Theodor


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12.01.2017 13:45
avatar  Heidrun
#2
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Den Absprung habe ich oft versucht.Immer alleine mit einem kalten Entzug.Damals wusste ich nicht,wie gefährlich das ist.Ich wusste selbst schon lange,daß ich ein Problem habe.Hab immer mal wieder mal mehr mal weniger lange durchgehalten.Ich wusste auch gar nicht ,wo ich mich hätte hinwenden können.In meinem Umfeld haben alle getrunken.Ich bin in der ehemaligen DDR groß geworden und meine Eltern hatten eine Gaststätte.Für so Leute wie mich das Schlaraffenland.Und niemand hat mir das Trinken verboten, als ich so mit 12-13 anfing .
Vor meinem letzen Versuch habe ich 5 Monate lang jeden Tag mindestens eine große Flasche Braunen und Unmengen Bier getrunken.Bis ich nicht mehr wusste,was hinten und vorne ist.Mein 4.Selbstmordversuch sollte klappen.Die Kinder waren bei Ihrem Vater.Ich habe dann alle Medikamente die ich im Haus hatte genommen und tüchtig Alkohol getrunken.Es hätte wohl auch geklappt,wenn meine damals 14 Jährige Tochter sich nicht mit ihrem Vater gestritten hätte und wieder nach Hause gekommen ist.Sie hat mich gefunden und ich landete auf der Intensivstation.Meine Kinder standen weinend am Bett und haben gebettelt,---Bitte Mutti lass dir helfen---wir stehen zu dir.Das war mein Neuanfang.Seit dem 18.März 2011 hat mein neues Leben begonnen.Ich habe eine 3 Jährige Psychotherapie gemacht und mit meinen Kindern zusammen eine Familientherapie.Seit dem 1.Tag besuche ich eine Selbsthilfegruppe.Bin in der Zwischenzeit Gruppen und Landessprecherin und arbeite im Lotsennetzwerk der Brandenburgischen Landesstelle für Suchtfragen mit.Auch bei mir ist der wöchentliche Gruppenbesuch ein fester Termin in meinem Leben.Ich hoffe, das noch viele, viele den Absprung schaffen und am eigenen Leib erfahren wie schön das Leben auch ohne Alkohol ist.
Eure Heidi


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18.01.2017 09:38
avatar  Karin
#3
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Bei mir war es ganz klassisch mit dem Schlüsselerlebnis. Unangenehme und peinliche Situationen gab es genug, aber dieses brachte den Topf zum überlaufen. Auch das mit dem kalten Entzug kenne ich nur zu gut. Aber wer kann wissen, ob es geklappt hätte, wäre da nicht gerade ein Arzt, der mich nicht verurteilt hat. Das war immer ganz wichtig für mich. Hat mich jemand wie Abschaum behandelt, habe ich mich sofort wieder verkrochen. Deshalb finde ich auch die SHG ganz wichtig. Hier sitzen die Profis, die mir helfen können. Ohne Vorurteile und erhobenen Zeigefinger. Aber die mir viel Mut gemacht haben.
Ja...es lohnt sich immer!


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06.03.2017 04:03
avatar  Stan162
#4
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Hallo, darüber hab ich mir gerade heute wieder einige Gedanken gemacht. Bei mir waren es Drogen, von denen ich den Absprung schaffte. Es hätte bei mir aber genauso der Alkohol sein können, denn das Verhalten in der Sucht und beim Absprung, ähneln sich doch sehr stark. Ich war heute beim Aussortieren von Akten, da fand ich in meinen Ordnern eine Bewerbung. Ich schrieb sie im Rahmen einer Maßnahme des Job-Centers im Jahre 2010. Was das mit dem Thema "Absprung" zu tun hat, darauf komme ich gleich. Schon ganz früh in meiner Sucht war mir klar, daß ich so, ständig gegen den drohenden Entzug kämpfend, nicht weiter machen konnte. Denn da stand Knast oder Tod als Endstation. Von Ersterem hatte ich bereits einen Vorgeschmack bekommen und vor Letzterem hatte ich seit meiner OD einen Höllenrespekt. Aber auch das abstinente Leben sagte mir nicht so zu. So hatte ich lange Jahre einen kontrollierten Konsum im Kopf. Ich dachte, wenn die äußeren Umstände ok wären und ich ein zufriedenes Leben führte, dann hätte ich genug Kraft, um ab und zu was einzufahren, ohne daß ich gleich wieder abhängig würde. Ich machte etliche Entgiftungen, mit etlichen Versuchen, dieses Ziel zu erreichen. Mit steigender Zahl von Fehlversuchen, wuchs in mir langsam der Verdacht, daß ich niemals ein zufriedenes Leben führen werde, so lange ich nicht substituiert bin. Doch auch substituiert musste ich immer wieder von Beigebrauch entgiften. Es war immer so eine Hoffnungslosigkeit da, denn das, was da an Problemen und Schwierigkeiten einem zufriedenen Leben im Weg stand, hatte gewaltige Ausmaße. Das alles zusammen mit meinen "mittelschweren depressiven Episoden", wie sollte ich da jemals einen Absprung auch nur schaffen wollen können. Mein Elend konnte ich längere Zeit ohne Betäubung nicht aushalten. Ich wußte eigentlich immer um meine Möglichkeiten die ich hätte, Bescheid. Aber mit fortschreitendem Alter rückte die Ausicht, doch noch ein zufriedenes Dasein zu fristen, in immer weitere Ferne. Es war aber auch nicht so, daß ich nichts investiert hätte, nein ich hab tatsächlich allerlei versucht. Außer den zahlreichen Entgiftungen waren da ungefähr zehn bis fünfzehn Anläufe um eine Langzeittherapie zu machen, von denen fünf in die Tat umgesetzt wurden. Doch der Absprung gelang mir auch bei keiner Therapie. Nein erst viel später stellten sich Bedingungen ein, die es mir ermöglichten, Schritt für Schritt dem Absprung näher zu kommen. Der entscheidente Moment war der, als ich nach einem massiven Rückfall über 3 Monate lang drauf war und mich in Frankfurt wegen eines Verstoßes gegen das BtmG strafbar machte. So war es dann Zufall, daß ich zum betreuten Einzelwohnen des DRK Kontakt bekam und mich darauf einließ. Ich bekam eine Betreuerin die sich ein bis zweimal die Woche mit mir traf, um meine Probleme mit Sucht und Alltag zu bewältigen. Hier erwies sich dann die CmA Selbsthilfegruppe des Roten Kreuzes als ganz besonders hilfreich. Hier lernte ich mal aus ganz anderen Perspektiven über mein Leben nachzudenken. Ein wichtiges Ergebnis daraus war die Befreiung von dem mir selbst auferlegten Druck, noch mal in der Arbeitswelt Fuß zu fassen. Als ich heute die Bewerbung las, die ich bei der Initiative "Job aktiv!" verfasste, wurde mir mit einem mal klar auf welchem Irrweg ich mich befand, und dies vielleicht schon mein Leben lang. Ich konnte mein Unbehagen regelrecht körperlich spüren. Ich mußte mir erst bewußt werden, daß meine eigentliche Berufung wo ganz anders liegt, als ich selbst dachte. Mich künstlerisch zu Betätigen war das, was mir schon immer leichtfiel und gefiel. Doch das zu erkennen war nur ein Teil meiner Probleme. Mit viel Ausdauer schaffte ich mir so die Ausgangsposition für meine jetzige Situation. Inzwischen bin ich mit meinem Leben so zufrieden, daß es gar keiner Drogen mehr Bedarf. Im Gegenteil, ich kann mir nicht vorstellen wie da ein Konsumieren seinen Platz haben könnte. Etwas das ich mir noch vor zehn Jahren absolut nicht hätte vorstellen können.
Abschließend kann ich eigentlich gar nicht sagen, welches Schlüsselerlebnis bei mir die Voraussetzung schuf, daß ich den Absprung schaffte. Es waren viele Mosaiksteinchen die glücklicher Weise alle zum richtigen Zeitpunkt zusammen kamen.
Stefan


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