Veränderung der Rückfälle

30.09.2019 00:09
avatar  Stan162
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Rückfall – von unabwendbar über „zu bequem dafür“ zum „bringt mir nichts“ - Veränderung des Rückfalls im Laufe der Suchtkarriere

Hallo Leute,

ich mochte mal rund um das Thema Rückfall schreiben. Ich finde es immer wieder interessant, wenn Leute in SH-Gruppen über einen Rückfall berichten. Ich versuche dann immer zu verstehen, in welcher Gemütslage sich derjenige befand, was ihm durch den Kopf ging und was den Rückfall eventuell hätte verhindern können. Ich versuche mal hier zu analysieren wie das bei mir immer so war und sich im Laufe der Zeit alles verändert hat.
Nun ist mein letzter tatsächlicher Rückfall schon ein ganzes Weilchen her, denn 2010 war mein letzter Rückfall mit Heroin. 2011 hatte ich noch ein Rückfall mit Benzos, aber das möchte ich eher als Vorfall nicht als Rückfall vermerken. Aber da waren immer mal Situationen, die auch anders hätten ausgehen können.
In den ganzen letzten Jahren seit 2011 hat sich bei mir ein Gefühl der Sicherheit im Umgang mit meiner Sucht eingestellt. Wenn ich zurück schaue, bin ich froh und dankbar wie alles gekommen ist. Oft hat nur ganz wenig gefehlt, und ich wäre wieder tief gefallen. Das es eben nicht so gekommen ist liegt daran, dass ich immer in die Selbsthilfegruppe gegangen bin. Von dort und von meinen Hobbys Darts und Musik, und erst recht durch meine künstlerischen Aktivitäten, bekomme ich ganz viel positive Energie.
Deshalb passt im Moment ein Rückfall gar nicht in mein derzeitiges Leben. Denn, was bitte soll ich da mit Benzos und Heroin bei meinen Hobbys anfangen? Nehmen wir das Schreckensszenario an, ich würde was einfahren. Dann würde sich wahrscheinlich nach ein paar Minuten mein schlechtes Gewissen melden. Oder ich würde mit dem Gesicht im frisch gemalten Bild aufwachen und der Pinsel mit der Farbe wäre mir aus der Hand gerutscht und über das Bild und den Fußboden gerollt. Dann hätte ich nicht nur ein schlechtes Gewissen, sondern würde mich auch noch tierisch ärgern. Das würde sich dann noch mal steigern, wenn ich am nächsten Tag realisieren würde, was ich verbockt gehabt hätte. Meine Selbstachtung wäre erheblich angeknackst und die Gefahr wäre groß, am nächsten und übernächsten Tag noch mal nachzulegen und eine längere Draufsein-Runde einzuläuten. So oder so ähnlich würde es kommen.
Aber wie gesagt was soll ich heute mit dem Zeug anfangen es passt nicht in mein Leben mit all den Sachen, die ich jetzt gerne mache. Aber selbst wenn ich alles ausblenden könnte und wenn es so wie am Anfang rein um das Anturnen und Zusein geht, also nur einfahren und genießen, selbst das, davon bin ich überzeugt, würde mir nichts bringen. Denn dieses einfach einfahren und abschalten ging ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr.
Dieser Zeitpunkt war nach Beendigung der Langzeittherapie. Die haben mit mir da eine Art „Gehirnwäsche“ gemacht, jedenfalls war es vorbei mit dem unbeschwerten Konsum. Das Verlangen aber war noch genauso stark, begleitet von schlechtem Gewissen und großem Selbstbeschiss. Was mir immer wieder einen großen geistigen Spagat abverlangte. Die Gier nach Dope mit logischen und absurden Argumenten gleichermaßen vor mir selbst zu rechtfertigen war dann immer die letzte Hürde die es zu überwinden galt.
Dann, wenn dieser Selbstbetrug geklappt hat, gab es damals nichts und niemand, was mich da aufgehalten hätte. Einmal im Kopf und alles andere wurde unwichtig. Mit den Jahren aber, ging dann aber das enorme Verlangen nach dem Kick, dem Turn glücklicher Weise zurück.
Als das also weniger wurde kamen immer mehr Sachen, die mich davon abbringen konnten. Zuletzt, also 2009/2010, war es dann schon die reine Bequemlichkeit, die mich abhielt, Dope zu holen. Ich hätte bis Frankfurt fahren müssen, das war mir zum Schluss oft zu aufwendig. Und das was dann zu erwarten war, war nicht verlockend genug.
Es ist trotzdem 2010 noch einmal zu einem längeren Rückfall gekommen, den ich dann in Heppenheim mit einer Entgiftung beendet habe. Das hat, 3xHolz, bis heute gehalten. Ich bin mir also völlig im Klaren darüber, dass mir ein Rückfall heute einerseits in keinster Weise was bringen würde, andererseits enorme Gefahren herauf beschwört. Man sollte also meinen, ich habe die besten Voraussetzungen um nie mehr irgend welche Rückfallgedanken zu haben, nie mehr einen Rückfall zu machen.
Und doch schleichen sich immer wieder Gedanken ein die sich schnell verselbstständigen könnten, wenn die Umstände stimmen. So war ich allein auf Besuch in Bremen. In der Nähe vom Bahnhof Burg fielen mir eine Menge Leute sofort auf. Es war die Art wie sie zusammen standen und gestikulierten, wie sie liefen, was sie anhatten und wie sie aussahen. Kein Wunder, dass sie mir sofort aufgefallen sind, denn ich war einer von ihnen. Zwar in einer anderen Stadt aber genauso runtergekommen, die gleiche schmutzige Kleidung an, auch unrasiert und ebenso abgemagert. Diese Leute waren Konsumenten von harten Drogen, Heroin und Crack, dazu Benzos. Im Stadtteil Burg gibt es eine Substitutionsstelle, wie ich später erfuhr. Deshalb das erhöhte aufkommen dieser Randgruppe. Ich war verblüfft wie ähnliche die Süchtigen in Frankfurt und Bremen sind. Ich war emotional auch ziemlich aufgewühlt diese Leute zu sehen und als ich dann in der S-Bahn Richtung Bremer Hauptbahnhof fuhr, hörte ich gezwungenermaßen ihren Gesprächen zu. Es sind die gleichen Gespräche in der gleichen gedehnten Aussprache wie in Frankfurt. Der eine kennt einen anderen der dies und jenes besorgen kann, der andere kann mit einem Anruf bestes Material besorgen. Ich fühlte mich seltsam verbunden und spielte mit dem Gedanken mich als Frankfurter Ex-Junkie zu outen. Oder besser noch, in Bremen soll es ja so gutes Material geben, ich könnte ja ein paar Gramm mitnehmen und verkaufen. Eigentlich könnte ich ja auch mal selbst wieder was nehmen. Eine kleine Line, ich bin in Bremen, das sieht und merkt doch keiner. Doch kaum gedacht, erschrak ich vor mir selber und dann fiel mein Blick auf zwei von denen, die ein Stückchen weiter weg saßen. Obwohl ich nicht alles verstand, wußte ich sofort um was es geht. Der eine hat wohl wegen einer positiven UK kein Methadon bekommen und versucht dem anderen was von dessen Methadon abzukaufen. Doch der bleibt hart egal was der andere ihm verspricht. Wahrscheinlich hat er auch kein Geld und es geht ihm auch schon denkbar schlecht. Ich weiß nicht wie das ausging, denn ich musste aussteigen und war froh nicht in einer solchen beschissenen Situation zu sein, wie dieser arme Kerl ohne Dope und Geld. Auf einmal kamen mir die Gedanken von kurz zuvor so dermaßen absurd vor, das ich gar nicht mehr glauben konnte so was selbst gedacht zu haben. Und ich war dann doch auch dankbar das ich es selbst in der Hand habe, solche Situationen wie obiger Substituent nie wieder erleben zu müssen. Es bleibt aber schon die Frage, was ich gemacht hätte, wenn mich jemand angesprochen hätte und was angeboten hätte.....
Stefan F.


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