Zufriedene Abstinenz?
„Zufriedene Abstinenz“, geht das überhaupt, widerspricht sich das nicht von Grund auf, zumindest für uns Süchtige? Das Wort ist mir in den letzten Wochen ein paar mal begegnet, wobei ich mir dann auch selbst die Frage stellte, wie das mir ist, ob und seit wann ich mich zu den Personen rechnen kann, die unter der zufriedenen Abstinenz „leiden“. So hätte ich das früher bestimmt mal gesehen. Einer der zufrieden ist und abstinent lebt, bei dem hätte ich entweder einen mangelnden Erfahrungshorizont festgestellt oder komplett dessen Verstand angezweifelt, wie jemand der einer Gehirnwäsche durch eine Sekte unterzogen wurde. Vielleicht hätte ich es noch gelten lassen, wenn sich dadurch großer finanzieller Reichtum ergäbe. Unzählige Entgiftungen, Clean-Phasen und Rückfälle später, muss ich dazu neue Bewertungen anstellen. Dabei ist es erstmal nur eine „Will nicht“-Sache und keine „Darf nicht“-Sache. Solange ich einen Zwang daraus mache, ich darf nichts mehr konsumieren, heißt das, eigentlich will ich schon was einfahren, das geht aber nicht weil ich dann wieder abstürze. Wenn ich aber im Grunde genommen doch Dope nehmen will, so muss ich ja ständig dagegen ankämpfen. Wo soll da eine Zufriedenheit herkommen. Für mich kam somit nur eine Haltung in Frage, wo ich mich entscheide „ich will nichts mehr nehmen“, weils z.B. im Moment nicht zu meiner Situation passt, oder weil ich eine Therapie mache um mich gesundheitlich und finanziell zu erholen. Das klappte auch meist, heißt aber noch lange nicht, dass diese Abstinenz in irgend einer Weise Zufriedenheit mit sich bringt. Ich konnte das immer eine Zeit lang gut machen, aber irgendwann kam ein Zeitpunkt, an dem ich mich erneut entscheiden muss, will ich weiter abstinent leben, oder versuch ich erneut kontrolliert zu konsumieren, unterbewusst genau wissend wo das hinführt. Ich kann jetzt im Rückblick sagen, diese erneute Entscheidung für Abstinenz wurde dann immer leichter, wenn ich anfing Lebensfreude zu empfinden. Dazu musste ich meine Einstellung in vielen Bereichen von Grund auf ändern, mich mit mir aussöhnen, die Schuldfrage nicht mehr stellen. Das, ohne Therapeut bzw. ohne eine erneute Therapie zu machen, gelang mir, weil ich seit zwölf Jahren regelmäßig jede Woche eine Selbsthilfegruppe aufsuche. Inzwischen kann ich von mir behaupten, dass ich wieder ein selbstbestimmtes Zufriedenes Leben habe, in dem Heroin und Benzos kein Platz mehr haben. Stefan