Rückfall

22.01.2015 15:14 (zuletzt bearbeitet: 24.01.2015 09:26)
avatar  Theodor
#1
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…die Frage kenne ich nur zu genüge. Ich habe das in unterschiedlichsten Phasen meiner Laufbahn erlebt. Früher war es jedes Mal eine Katastrophe gewesen. Mein Gott war des schlimm wenn ich trotz Entgiftung, wieder getrunken hatte. All diese Scham, diese Enttäuschung über mich selbst, die Angst das alle anderen es merken und nicht zuletzt die schmerzen am Morgen als der Entzug wieder einsetzte. Ich konnte dann gar nicht anders als weiter zutrinken! Schließlich war sowieso wieder alles vorbei und zu Spät!
Das alles änderte sich erst seit den letzten fünf Jahren. Irgendwie begriff ich was mich immer wieder in den Rückfall führte. In manchen Situationen kamen Gefühle hoch, die ich mit Alkohol zu betäuben versuchte, weil ich nie gelernt hatte, diese Gefühle nüchtern auszuhalten. Und wenn der Druck wirklich mal zu groß wurde und ich die Flasche schon getrunken hatte, sagte ich mir: „Scheiß drauf, dann ist es halt passiert, jetzt heißt es sofort Gegenmittel zu finden, Psychiatrie oder runter trinken. (...ich weiß das das Runtertrinken gefährlich ist und das schaffte ich auch nur, wenn ich nur wenige Tage getrunken hatte) Ich empfand es nicht mehr als Katastrophe, wie sagte ich immer zu mir selbst: „ OK Theo, Aufstehen, Krone richten und weiterkämpfen!“ Das alles brauchte eine lange Zeit, aber ich bin mir sicher dass es ein wichtiger Punkt auf meinem Weg in die wirkliche Nüchternheit war!

Wie war oder ist es bei Euch

Theodor


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06.02.2015 12:59 (zuletzt bearbeitet: 06.02.2015 13:25)
avatar  Friedel
#2
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Aus der DHS
DHS Fachkonferenz: „Rückfälle“ (Münster, 12. bis 15. Oktober 2015)
Die DHS Fachkonferenz Sucht 2015 findet vom 12. bis 15. Oktober im Mövenpick Hotel in Münster statt. Sie wird das Thema „Rückfälle“ aus Sicht der Betroffenen, Beratender und Behandelnder sowie der Selbsthilfe beleuchten und den aktuellen Stand der fachlichen Diskussionen hierzu bündeln.


Das ist eine gute Veranstaltung von der DHS. Wir sollten einmal überlegen, ob wir diese gemeinsam besuchen wollen. Mal sehen was das alles kostet und dann muss man weiter sehen. Ich weiß, dass diese Veranstaltungen gut, aber oft auch über unsere Finanzverhältnisse hinaus gehen. Ich habe heute eine Spende von Pirelli Deutschland bekommen, vielleicht kann ich das dazu beisteuern. Natürlich nur, wenn welche von unseren Gruppen mit möchten.


Friedel


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09.02.2015 22:19
avatar  Karin
#3
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Ich bin dankbar für die Rückfälle, denn sie waren eine ganz wichtige Erfahrung. Erzählt wurde viel darüber, aber ich musste es am eigenen Leib spüren.
Danach bin ich ganz anders mit diesem Thema umgegangen.

Karin


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10.02.2015 18:27
avatar  Texi
#4
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Mein erster Rückfall nach vier Jahren Trockenheit war für mich ein total niederschmetterndes Ereignis.
3 oder 4 Wochen vorher bin ich in mein altes Leben und Verhalten zurückgefallen, nur dass ich abends nichts getrunken habe. Ab da war ich wie ferngesteuert, es gab kein zurück mehr, bis ich wieder zur
Flasche griff. Drei Tage saufen, wieder aufgehört. Das ging ein halbes Jahr gut, aber ich hatte nur
Stress am Arbeitsplatz und zuhause. Rückfall, Nervenzusammenbruch, Suizidversuch, Psychiatrie,
2. Therapie. Aus diesem Rückfall habe ich gelernt, wie er zustande kam, in meiner SHG haben wir alles genau analysiert. Geholfen hat es damals nichts es ging weiter mit längeren und kurzen Trinkpausen.
"Gelernt" habe ich in dieser Zeit, dass ich Saufen kann und wieder aufhören, auch mal längere Zeit.
Aber vor 3,5 Jahren habe ich wieder mal aufgehört......und seitdem nicht wieder angefangen. Ich war dann sehr krank und seitdem bin ich trocken. Wirklich trocken, vom Kopf und vom Gefühl her. Es
fühlt sich saugut an. Ich habe viel gelernt von meinen Rückfällen, vor allem dass sich der Teufel
Alkohol sehr gut tarnen kann und sich fast unsichtbar anschleicht (jedenfalls bei mir).

LG Texi


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01.07.2016 08:35
avatar  Stan162
#5
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Stefan F.: Zu Theos Beitrag und dem Thema RÜCKFALL Desaster oder Chance

Als ich den Beitrag las hab ich festgestellt dass mir das im grossen Ganzen genauso ergangen ist. In den ersten Jahren in denen ich Entgiftungen nur für Andere machte, da war ein Rückfall normal und immer eine Katastrophe erst wenns rauskam. Ich hatte dann immer eine Ausrede für mein Umfeld parat, dass ich ja nicht anders konnte oder dass ich ja garnicht dran Schuld bin. Bis mir keiner mehr glaubte, dass ich wenn schon nicht jetzt dann aber irgendwann mal den Absprung schaffe. Wenn dann nichts mehr ging außer Entgiftung und Therapie war dann ein Rückfall immer eine Katastrophe. Als ich da fast fertig entgiftet mit Therapie-Aufnahmedatum einen Rückfall machte war das sehr frustrierend für mich. Zweimal bekam ich ein neuen Aufnahmetermin und hab endlich mal fertig entgiftet und die Therapie durch gezogen. In der Therapie waren Rückfälle immer ein großes Drama was ich mir jedoch wegen der Konsequenzen ersparte. Was in der Therapie ein Jahr gut ging ist dann danach kein Tag gut gegangen. Für mich, nachdem ich wieder festen Boden unter den Füssen hatte war es zunächst kein grosses Unglück. Doch auch wenn ich das vor mir noch rechtfertigen konnte hatten die Nachtherapie-Rückfälle zur Folge dass ich unbewußt immer mehr resignierte und das Ganze zu einem großen Rückfall wurde, der mich tiefer in die Sch..... riss als das jemals zuvor der Fall gewesen wäre. Ich hatte nach einem Jahr auch wieder soviele Anzeigen und Ermittlungen gegen mich laufen, da war es nur eine Frage der Zeit wann ich verhaftet werde. Als ich dann nach Knast und Übergangseinrichtung in einer Nachsorge wohnen konnte und Abitur in der Hesse-Schule machte, war die katastrophengefahr bei einem Rückfall groß. Von den Nachsorge-Thrapeuten und den Lehrern immer wieder betont welche Folgen ein Rückfall hat. Immerhin dauerte es diesmal 3 Jahre bis zum ersten Rückfall. Doch damals konnte ich darüber nicht sprechen. Ich hatte niemand mit dem ich meine Probleme hätte ernsthaft erörtern können. Das machte die Rückfälle so gefährlich. Ich ging in keine Gruppe und dachte ich bin mit meinem Problem alleine. Ich begann aber damals zu merken es bringt nichts mehr positives und war bei vielem was ich machte kontra produktiv. Von da an ging es langsam bergauf, von Entgiftung zu Entgiftung mit immer größeren Abschnitten zwischen den Rückfällen. Die häufigen Entgiftungen haben bei dazu beigetragen, dass ich die Fähigkeit erlernte über meine Probleme zu reden, denn in den meisten Entgiftungen gab es inzwischen Gruppengespräche. Diese waren sehr viel ungezwungener als das was ich von meinen wenigen Einsätzen bei der NA kannte. Das ließ in mir die Bereitschaft reifen auch ausserhalb der Entgiftungen an einer Selbsthilfegruppe teilzunehmen. Seit neun Jahren bin ich in der CMA Selbsthilfegruppe des Roten Kreuz Erbach. Ich bekam zu Rückfällen eine ganz andere Einstellung. Man beschäftigt sich oft bewußt und unbewußt damit wie man sich früher zu diesem oder jenen Zeitpunkt in vergleichbaren Situationen bei Rückfällen fühlte. Jeder neue Rückfall diente mir seither dann sozusagen als Standortbestimmung. Das ist dann wenn ich es in meiner Gruppe oder mit einer Vertrauensperson erörtern kann eine Chance mich weiter zu entwickeln. Das kann aber nur gelingen wenns in einem bestimmten Zeitraum ein einmaliges Ereignis bleibt. Denn ich kann mir vorstellen welche Möglichkeiten zum Selbstbetrug dies sonst mit sich bringt. Inzwischen ist bei mir der letzte Rückfall auch schon fast 2 Jahre her. Für mich stimmt es momentan so mit Rückfällen umzugehen - das könnte aber bei anderen total schief gehen. Oder was habt ihr für Erfahrungen gemacht?


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02.07.2016 04:16
avatar  Karin
#6
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Ein Rückfall muss keine Katastrophe sein.Er gehört zum Krankheitsbild. Wichtig ist, dass ich ehrlich zu mir selber bin und mir ganz schnell wieder Hilfe hole. Wenn ich drüber reden kann, erkenne ich evtl meine Schwachstellen und kann daran arbeiten.Es gibt auch einige, die sich hinter dem Krankeitsbild verstecken und Tausend Ausreden erfinden. Die Leute betrügen sich selbst.
Wenn wir wieder lernen ein ausgewogenes Leben zu führen wird auch die Rückfallgefahr immer weiter zurück gehen. Aber eine 100%ige Sicherheit gibt es nicht. Niemand kann wissen, was für Lebenssituationen noch auf uns zukommen.
Aber jeder kann fallen. Hauptsache wieder aufstehen.
Auch nach über 20 Jahren, ist mir schon mal plötzlch der Gedanke gekommen; " Jetzt einfach was trinken, einen angenehmen Rausch haben". Aber gleichzeitig kommen die Erinnerunge an die Gier nach Alkohol, wenn ich das erste Glas getrunken hat. Das ich nicht wieder aufhören kann.
Das will ich nicht nochmal durchmachen. Nichts mehr auf's Spiel setzten. Aber ich werde nie ein Versprechen abgeben. Das nächste Glas steht auch bei mir genauso dicht wie bei anderen. Ich werde es aber auf Abstand halten.

LG Karin


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